Nun ist es geschehen, mit dem letzten gesungenen Ton ist der Song-Contest bereits wieder Geschichte. Und was für eine. Im Wortsinn verarbeitet die ukrainische Sängerin Jamala in “1944″ ein dunkles Kapitel, als unter Stalin Krimtataren nach Zentralasien deportiert wurden. Von uns selbst wissen wir, wie gerne wir die düsteren Flecken unserer Geschichte zudeckten. Ein Schweigen macht nichts ungeschehen und die schmerzvolle Erinnerung daran macht uns bewusst, dass diese Greuel keine Wiederholung finden sollen. Ob damit das zu Laut kommt, was man gerne als Politikum-Schatten des Songcontests munkeln hört, soll nicht zu seinem Schaden sein. Schon jetzt deuteln viele in der Tatsache herum, dass die Ukraine vor Russland gewonnen hat. Eine Ironie liegt wohl eher darin, dass objektiv geheißenes und geschmacksorientiertes Voting miteinander verschmelzen und dass Deutschlands letzter Platz seine aktuelle Beliebtheit in Europa widerspiegelt. Mich freut es einfach, dass in einem Bewerb, der, im Vergleich zum Vorjahr mehr Einheitsbrei mit wenigen Highlights, einiges an Qualität zu wünschen übrig ließ, ein Stück gewinnt, das sowohl inhaltlich als auch kompositorisch persönlich gestaltet, gewinnt. Ein Stück, das nicht austauschbar und nich beliebig ist. Eines, das erstmals eine uns unbekannte Sprache aus unserer Nachbarschaft zu Gehör bringt. Ein Stück, das eine Geschichte erzählt und uns daran erinnert, behutsam und respektvoll mit unseren Mitmenschen umzugehen. Mich freut es, dass neben den diesmal oft nur lauten und aggressiven Klängen, auch die leiseren Stimmen gehört wurden mit Botschaften wie „No Degree of Separation“ oder sich aufzumachen „á la recherche du paradis“. Denn das ist es, worauf es ankommt und wenn wir dann in unserer selbst erfundenen Science Fiction leben, alle menschlichen Widrigkeiten von uns geworfen, dann werden wir uns anschauen und darüber lachen, welch eine dumme Spezies wir doch gewesen sind. Und wir werden uns freuen, diese Dummheit überwunden zu haben.
KULTURTODATE
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